Verkehrs- und Ordnungswidrigkeitenrecht

Mitschulden bei Überquerung der Straße


Folgenden Fall (verkürzt) hatte das OLG Jena zu entscheiden:

 

Der Geschädigte begehrt von den Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall, der sich wie folgt ereignete:

Der Geschädigte wollte die Fahrbahn von links nach rechts überqueren. Als er bereits die linke Fahrspur überquert hatte, wurde er im Bereich der rechten Fahrspur von dem vom Beklagten zu 1) geführten Fahrzeug erfasst und verletzt. Zum Unfallzeitpunkt war es dunkel und es regnete stark. Gleichzeitig herrschte starker Berufsverkehr. An der Stelle, an der der Geschädigte die Straße überquerte, gab es zudem keine Straßenbeleuchtung. Weiterhin trug der Geschädigte dunkle Kleidung.

 

Das Landgericht wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dass die Haftung der Beklagten wegen des überwiegenden Verschuldens des Geschädigten ausgeschlossen sei. Zwar habe der Geschädigte durch den Pkw des Beklagten zu 1) erhebliche Verletzungen erlitten. Allerdings müsse sich der Geschädigte eine erhebliche Mitschuld anrechnen lassen. Bei der Ermittlung der Höhe der Mitschuld sei auch auf die Unfallörtlichkeit abzustellen. Der Geschädigte versuchte bei Dunkelheit in dunkler Kleidung, starkem Regen und starkem Berufsverkehr an einer Stelle, an der es keine ausgewiesenen Fußgängerwege gibt, die Straße zu überqueren. Dieses Verhalten sei als grob fahrlässig zu bewerten. Ein Fußgänger dürfe die Fahrbahn erst betreten, wenn er sicher sei, dass er keinen Fahrzeugführer gefährde oder an der Weiterfahrt hindere. Dies gelte insbesondere dann, wenn er außerhalb geschützter Stellen, wie z.B. einem Fußgängerüberweg, die Fahrbahn überqueren wolle. Aus vorgenannten Gründen schloss das LG die Haftung der Beklagten aus.

 

Gegen das Urteil legten die Kläger Berufung ein, die das OLG nun zurückwies.

 

Zur Begründung führte das OLG an, dass das LG zu Recht die Klage abgewiesen hatte. Das Verhalten des Geschädigten ist als grob fahrlässig anzusehen. Zwar muss ein Fahrzeugführer auf Sicht fahren, um bei Hindernissen auf seiner Fahrbahn anhalten zu können, es sei denn, das Hindernis gelangt völlig unvermittelt auf seine Fahrbahn. Hier fuhr der Beklagte zu 1) aber schon langsam, da es stark regnete und das Licht des Fahrzeugs durch den Regen zum großen Teil verschluckt wurde. Das OLG nahm hier ein Verschulden des Geschädigten an, weil er mit dunkler Kleidung an einer dunklen Stelle – und damit für den Beklagten zu 1) äußerst schwer zu sehen war – die Straße betreten hat. Grundsätzlich führt das Tragen von dunkler Kleidung nicht automatisch zur Annahme von Eigenverschulden. Wenn man aber alle – insbesondere die äußeren - Umstände zur Tatzeit beachtet, dann ist die Annahme von Verschulden des Geschädigten berechtigt. Der Geschädigte hätte hier die Straße gar nicht betreten dürfen, weil er damit die Fahrzeugführer im dichten Berufsverkehr erheblich gefährdet hatte. Die Revision wurde nicht zugelassen.

 

(Quelle: Urteil das OLG Jena vom 01.12.2020, Az.: 5 U 134/19)


----------


Geblitzt auf gesperrtem Fahrstreifen

 

Folgenden Fall (verkürzt) hatte das OLG Celle zu entscheiden:


Der Betroffene befuhr die linke der drei Fahrspuren auf der A2. Über den jeweiligen Fahrstreifen waren elektronische Schildertafel installiert, mit deren Hilfe der Verkehr geleitet wurde. Zunächst wurde die Geschwindigkeit für alle drei Fahrstreifen auf einheitlich 120 km/h begrenzt und auf eine herannahende Baustelle hingewiesen. In der Folge wurde die Geschwindigkeit für die mittlere und rechte Fahrspur auf 80 km/h begrenzt. Für die linke Fahrspur zeigte die Anzeigetafel einen gelben Pfeil an, der nach schräg unten rechts gerichtet war und blinkte. Die Autofahrer sollten also vom linken Fahrstreifen zunächst auf den mittleren Fahrstreifen wechseln. Im Folgenden wurde für die mittlere und rechte Fahrspur die Geschwindigkeit auf 60 km/h reduziert. Über der linken Fahrspur zeigte die Wechselzeichenanlage durch Dauerlichtzeichen rot gekreuzte Schrägbalken mit der Anordnung eines Nutzungsverbotes an. Der Betroffene befuhr unter Missachtung des Nutzungsverbotes weiterhin die linke Fahrspur und wurde mit einer Geschwindigkeit von 123 km/h geblitzt. Der Landkreis S. verhängte gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von

485 EUR sowie ein Fahrverbot von 2 Monaten.

 

Dies wurde vom Amtsgericht nach Einspruch des Betroffenen bestätigt. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wurde vom

OLG Celle mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Verurteilung wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung von

63 km/h entfällt. Allerdings beließ das OLG Celle die verhängten Strafen.


Rechtlich nicht haltbar war der Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung auf dem gesperrten Fahrstreifen. Zwar galt für den mittleren und den rechten Fahrstreifen eine Geschwindigkeits-begrenzung. Diese konnte aber nicht auch für die linke Fahrspur, deren Nutzung ja untersagt war, gelten. Verkehrszeichen sind Verwaltungsakte im Sinne einer Allgemeinverfügung. Sie gelten für jedermann ab dem Zeitpunkt, in dem sie dem Verkehrsteilnehmer bekannt gegeben wurde. Hier erfolgte die Bekanntgabe über die Anzeige auf der Wechselzeichenanlage. Allerdings müssen im Bereich des Straßenverkehrs Verkehrszeichen so eindeutig gestaltet sein, dass sie für einen Verkehrsteilnehmer mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit durch einen beiläufigen Blick erkennbar sind. Verkehrszeichen müssen so angebracht und gestaltet sein, dass auch ein ortsunkundiger Verkehrsteilnehmer Sinn und Tragweite der Regelung leicht erkennen kann. Daher konnte die angeordnete Geschwindigkeit für die mittlere und rechte Fahrstreifen nicht auch für die linke Fahrstreifen gelten. Dies half dem Betroffenen aber nicht, denn das OLG Celle bestätigte den Rechtsfolgen-ausspruch des AG (485 EUR + 2 Monate Fahrverbot). Zwar gab der Bußgeldkatalog bei Vorliegen gewöhnlicher Tatumstände weder die Höhe des Bußgeldes noch die Verhängung von Fahrverbot her. Hier war aber wegen der Bedeutung der begangenen Ordnungswidrigkeit eine Abweichung nach oben vom Regelsatz geboten.

 

Die linke Fahrspur war dem Verkehrsraum entzogen. Es bestand daher die Möglichkeit, dass sich Bedienstete der sich in der Nähe befindlichen Baustelle, die sich auf dem gesperrten Fahrstreifen vor dem fließenden Verkehr sicher wähnten, gefährdet werden könnten. Dies hat der Betroffenen billigend in Kauf genommen, als er nur zu seinem Vorteil, nämlich des schnelleren Vorankommens, den gesperrten Fahrstreifen nutzte.

 

(Beschluss des OLG Celle vom 05.08.2019, Az: 1 Ss (OWi) 11/19)


----------


Haftung für Nutzung des Seitenstreifens


Folgenden Fall (vereinfacht)  hatte das Landgericht Bochum zu entscheiden:


Auf der Autobahn staute sich der Verkehr wegen eines Unwetters. Der Kläger befuhr mit seinem Pkw den Seitenstreifen, um zur nächsten Ausfahrt zu gelangen. Der Beklagte wollte mit seinem Lkw ebenfalls den Seitenstreifen nutzen, um - wie der Kläger - zur nächsten Abfahrt zu gelangen. Beim Wechsel auf den Seitenstreifen übersah der Beklagte das Fahrzeug des Klägers und beschädigte dieses. Der Kläger erhob Klage auf Schadensersatz. Das Amtsgericht bewertete die Haftung des Klägers mit 1/3 und die Haftung des Beklagten mit 2/3. Der Kläger legte Berufung ein und wollte weitere 1.077,94 EUR vom Beklagten haben.


Das lehnte das LG Bochum ab.


Zur Begründung führte es aus, dass die Nutzung des Seitenstreifens zur schnelleren Erreichbarkeit der nächsten Ausfahrt von beiden Beteiligten rechtswidrig war. Also haften beide Parteien. Die vom Amtsgericht festgestellte Haftungsverteilung sah es dabei als richtig an.


Fazit: Die Nutzung des Seitenstreifen ist nur für den Notfall erlaubt.


(Urteil des LG Bochum vom 27.10.2015, Az: 11 S 44/15)


----------


Haftungsverteilung zwischen Wendenden und Schnellfahrer


Folgenden Fall (vereinfacht) hatte das OLG Düsseldorf zu entscheiden:


Der Beklagte wendete mit seinem Pkw Ford auf einer Straße. Dabei übersah er den sich mit überhöhter Geschwindigkeit nähernden Fahrer des Pkw Mercedes. Es kam zum Zusammenstoß beider Fahrzeuge. Das Landgericht urteilte, dass beide Parteien jeweils zu 50% für die Folgen des Unfalls haften. Der Kläger legte Berufung ein, denn er war der Auffassung, dass  er nur zu 25 % hafte.


Das sah das OLG Düsseldorf nicht so und entschied, dass der Kläger mit 1/3 für die Folgen des Unfalls haften muss.


Das OLG musste hier zwischen dem Verschuldensanteil des Wendenden und des zu Schnellfahrenden abwägen.


Es sah ein höheres Verschulden beim Wendenden. Gemäß § 9 Abs. 5 der StVO trafen den Beklagten, der seinen Pkw gewendet hat, gesteigerte Sorgfaltspflichten. Wenden erfordert äußerste Sorgfalt. Daher haftet der Wendende bei einem von ihm verschuldeten Unfall in der Regel allein. Allerdings traf den Kläger durch sein zu schnelles Fahren eine Mitschuld (1/3), deren Höhe aber hinter der des Wendenden (2/3) zurücktritt.


Fazit: Augen auf beim Wenden!!


(Urteil des OLG Düsseldorf vom 13.10.2015, Az: I-1 U 179/14)


----------


Rückwärtsfahrt in Einbahnstraße


Folgenden Fall (vereinfacht) hatte das OLG Düsseldorf zu entscheiden:


Der Kläger (Taxifahrer) stand mit seinem Pkw an der rechten Straßenseite der Einbahnstraße und parkte dort. Die Beklagte fuhr zunächst in richtiger Richtung am Pkw des Klägers vorbei. Inzwischen stieg ein Fahrgast bei Kläger ein. Daraufhin fuhr der Kläger langsam vorwärts aus der Parklücke. Die Beklagte bemerkte, als sie das Taxi des Klägers passierte, dass hinter ihr eine Parklücke frei wird. Sie hielt an und fuhr rückwärts entgegen der Fahrtrichtung, um zu der freiwerdenden Parklücke zu kommen. Dabei stieß sie mit dem Pkw des Klägers zusammen, der zu diesem Zeitpunkt bereits ca. 50 cm aus der Parklücke herausgefahren war.


Der Kläger forderte von der Beklagten Schadensersatz.

 

Zu  Recht, urteilte das OLG Düsseldorf.


Denn die Beklagte ist hier entgegen der Fahrtrichtung der Einbahnstraße gefahren und hat damit den Unfall verursacht. Zwar ist auch in einer Einbahnstraße ein Rückwärtseinparken erlaubt. Dabei wird allerdings lediglich eine Strecke bis 15 Meter angenommen. Die Beklagte ist in diesem Fall aber mehr als 4 Autolängen zurückgefahren, so dass es sich hier nicht lediglich um den Vorgang des rückwärts Einparkens handelt.


(Quelle: Urteil des OG Düsseldorf vom 24.10.2017, Az: I-1 U 133/16)


---------------


Vorlaufzeit Abschleppen Pkw aus Halteverbot

 

Folgenden Fall (verkürzt) hatte das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden:


Der Kläger parkte sein Fahrzeug ordnungsgemäß. Danach flog er für 2 Wochen in den Urlaub. Während des Urlaubs wurden in Vorbereitung von Baustellenarbeiten in der Straße im Laufe des Vormittags des 20.08.2013 Halteverbotsschilder aufgestellt. Da der Kläger im Urlaub war und sein Pkw deshalb nicht aus dem Halteverbot entfernt wurde, schleppte die Beklagte den Pkw des Klägers am 23.08.2013 gegen Mittag ab. Der Kläger löste den Pkw aus und begehrte von der Beklagten die Erstattung der Kosten.

 

Zu Recht, urteilte das Bundesverwaltungsgericht, denn die Voraussetzungen für ein Abschleppen des Pkws des Klägers lagen nicht vor. Zwar wurde das Halteverbot wirksam durch Aufstellen der Verkehrsschilder bekanntgemacht. Allerdings dürfen Fahrzeuge erst am vierten Tag nach Aufstellen der Halteverbotsschilder kostenpflichtig abgeschleppt oder umgesetzt werden. Da der Pkw des Klägers bereits nach 72 Stunden abgeschleppt wurde, konnte eine kostenpflichtige Inanspruchnahme des Klägers seitens der Beklagten nicht erfolgen.

 

(Quelle: Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 24.05.2018, AZ.: 3 C 25.16)

NEUE TELEFON- UND FAXNUMMER BÜRO JENA:


Ab sofort ist unser Büro in Jena wie folgt zu erreichen:


Telefonnummer: 03641/8985345

Faxnummer: 03641/8985346 und per

E-Mail: info@jura-jena.de


zu erreichen.